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Morde 2013

8. November 2017

Morde 2013

Nein, keine Angst – es handelt sich hier nicht um einen Mord im Jahr 2013, sondern um eine Weinentdeckung in Portugal.



Anlässlich einer Reise nach Portugal in diesem Frühling habe ich auch die Kellerei Terras de Alter im Alentejo besucht. Die Kellerei liegt etwa zwei Autostunden östlich von Lissabon und rund 40 km entfernt von der spanischen Grenze. Die Kellerei existiert erst seit 13 Jahren. Es ist keine Show- oder Boutique-Winery, die Lokalitäten sind einfach, aber sehr funktionell.

Hells Bells

Ich fahre an diesem Vormittag auf das Weingut zu, steige aus dem Auto und das erste, was ich höre, ist Hells Bells von AC/DC, und zwar in voller Lautstärke. Als ich um die Ecke biege, ist das Kellerteam gerade dabei, auf einer mobilen Abfüllanlage den Weisswein Jahrgang 2016 zu füllen. Die junge Mannschaft hat im Freien eine Musikanalage installiert und lässt sich von AC/DC unterhalten, sodass das Klappern der Flaschen und Rattern der Förderbänder deutlich übertönt wird. Als sie mich sehen, stellen sie die Musik sofort leiser und entschuldigen sich. «Nein, nein» sage ich, «alles ok, AC/DC kann man nicht leise hören. Das geht nur in voller Lautstärke». Verschmitztes Lachen und sofort ist die Musik wieder voll aufgedreht. Es gibt Winzer, die ihre Rebberge und Keller mit klassischer Musik berieseln und behaupten, das hätte einen Einfluss auf den Wein. Ob und inwiefern Rockmusik beim Abfüllen einen Einfluss auf den Wein hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich habe eine Verabredung mit Peter Bright, dem Winemaker. Peter hat die Kellerei zusammen mit Landbesitzern aus der Gegend im Jahr 2004 gegründet. Er stammt ursprünglich aus Australien und war im Laufe seiner Karriere als Flying Winemaker in der ganzen Welt unterwegs. Er kennt daher die Rebberge in Australien ebenso gut wie die in Kalifornien, Bordeaux oder Sizilien. Als er zum ersten Mal ins Alentejo kam, war er von der Gegend und deren Potenzial so fasziniert, dass er sich entschied, hier seine eigene Kellerei zu gründen.

Schweizerische Pünktlichkeit trifft auf südländische Gelassenheit

Ich werde von einer charmanten jungen Portugiesen empfangen, die mir sagt, dass Peter in zehn Minuten hier sein werde. Zeitbegriffe sind in südeuropäischen Ländern sehr dehnbar. Als ich nach einer halben Stunde nachfrage, ob und wann Peter denn komme, teilt sie mir mit, dass er gestern an einer Weinpräsentation in London gewesen sei. Er komme heute Morgen mit dem ersten Flug nach Lissabon, sei dort gelandet und nun auf dem Weg zur Kellerei. Super! Wieso sind wir Schweizer immer so überpünktlich? Ok, dann halt eine Programm-Änderung. Ich gehe mit dem Rebmeister in die Weinberge, lasse mir die verschiedenen Rebsorten und Böden erklären, staune über die Weite des Alentejo und die vielen Störche, die überall am Nisten und Balzen sind.

Neuentdeckte Traubensorte

Zurück in der Kellerei trifft auch endlich Peter ein, direkt aus London. Ihm sind kein Stress und keine Müdigkeit anzumerken. Strahlend begrüsst er mich, packt Gläser und Pipette und zwei Minuten später stehen wir im Keller und probieren den ersten Jungwein direkt ab Barrique. Bei den Weissen sind es Viognier, Siria und Arinto. Bei den Roten unter anderem Touriga Nacional, Alfrocheiro und Alitante Bouschet, alles stoffige und gerbstoffreiche Weine. Sie brauchen den Ausbau im Barrique, um Sauerstoff aufzunehmen und eine erste Reifephase zu durchlaufen. Bei einem Wein staune ich besonders: Tinta Cao, noch nie gehört. Ein dunkelroter, fast schwarzer Wein, dicht, unglaublich stoffig und mit einen massiven Gerbstofffracht – ein Klotz von einem Wein. «Was machst du damit? So kannst du das aber nicht in die Flasche füllen, oder?» sage ich zu ihm. Peter lacht. Nein, der Wein bleibe für 2 ½ Jahre im Barrique aus neuem amerikanischem Holz, um die Tannine weich zu machen. Dann werde er abgefüllt und lagere noch 1-2 Jahre in der Flasche, um seine erste Trinkreife zu erreichen.

Hund mit Biss

Tinto Cao heisst «Roter Hund» und ist eine alte portugiesische Rebsorte, die vom Douro stammt und dort unter anderem auch in der Portwein-Produktion verwendet wird. Sie ist verwandt mit dem Touriga Nacional, Touriga Franca und Tinta Barocca. Die Erträge sind sehr klein, im Schnitt 3,5 dl pro m2 (als Vergleich: durchschnittlicher Ertrag beim kommerziellen Anbau liegt bei 6-8 dl). Aus diesem Grund wird Tinto Cao heute fast nicht mehr angebaut. Peter hatte vor ein paar Jahren die Gelegenheit, einen halben Hektar Rebland zu kaufen, der mit alten Tinto Cao Stöcken bepflanzt war – und hat diese scheinbar nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Der Wein heisst Morde, was so viel heisst wie «beissen». In der Tat ist es auch nach vier Jahren noch ein Wein mit Biss: In der Nase hat er eine dichte Aromatik nach Früchten, am Gaumen ist er erstaunlich frisch, mit einer guten Säure und saftigen präsenten Gerbstoffen. Nachdem wir vor lauter Gerbstoffen den Gaumen nicht mehr spüren, brechen wir die Degustation ab und gehen zum Mittagessen in ein kleines traditionelles Lokal. Dort gibt es so richtig deftige portugiesische Küche – und dazu eine Flasche Morde 2013. Ein Wein mit Biss, der hervorragend zu den gereichten Schweinswürsten, der geschmorten Lammkeule und den Entenherzen an einer Rotweinsauce passt.

Urs Fischer, November 2017

 

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